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Hochstammobstbäume im Norden –  Ersthilfemaßnahmen für eine gefährdete Kultur

 

Obstbäume können je nach Art und Sorte ein Alter von oft über hundert Jahren erreichen, in denen sie kontinuierlich Früchte liefern. Der Lebenszeit erhöhende Faktor ist die Qualität der Pflege durch den Menschen. Mit dieser ist es leider oft nicht weit her.

 

Im Sinne einer wirklich zukunftsfähigen Kultur sind auf allen Ebenen große Anstrengungen nötig, um das fast verloren gegangene Erbe unserer alten Bäume zu schützen. Die nachfolgend aufgeführten Handlungsempfehlungen leiten sich aus meinen langjährigen Erfahrungen mit der Pflege von Hochstammobstbäumen im Raum Lübeck, Kreis Herzogtum Lauenburg und Nordwestmecklenburg ab.

 

Die desolate Obstbaukultur auf Hochstamm in den mir bekannten Regionen Norddeutschlands erfordert konkrete Handlungen zur Verbesserung der Situation. Im öffentlichen Bereich werden durch unsachgemäße Schnitteingriffe immer noch massenhaft Gelder aus mangelnder Kenntnis verbrannt. Das noch überall zu findende Straßenobst in Mecklenburg z.B. wird durch jahrelange Fehlbehandlung kontinuierlich zerstört. In wenigen Jahren wird kaum noch ein Baum stehen, wenn keine Veränderung eintritt.

 

Verschiedene Felder sind daher zu bearbeiten:

 

1. Neupflanzungen von Hochstämmen allerorten sollten weiter gefordert und gefördert werden. Aber bitte in Kombination mit fachgerechter Jungbaumerziehung, die sich an den Anforderungen der Verantwortlichen an die Pflanzung orientiert. Nur ein in der Jugend gehegter und gepflegter Baum Baum kann tragfähig und alt werden. Das gilt selbstverständlich auch für Naturschutzpflanzungen. Gut gemeinte aber oft nach wenigen Jahren vergreiste oder schlimmstenfalls abgestorbene Pflanzungen sind allerorten zu beweinen.

 

2. Die fachgerechte Pflege der Obstbäume in kommunalem Besitz darf nur von entsprechend  in der Obstbaumpflege ausgebildeten Personen übernommen werden. In Anlehnung an die ZTV Baumpflege muß ein entsprechendes Regelwerk die Pflegemaßnahmen an Obst beschreiben und deren korrekte Ausführung nachvollziehbar machen.

Es ist außerdem dringend geboten, daß in den Baumschutzsatzungen der Städte und Gemeinden große alte Obstbäume in den allgemeinen Baumschutz einbezogen werden. Diese dürfen zur Zeit meist ohne Probleme abgesägt werden!

 

3. Private Baumbesitzer sollten sich den vielfältigen Wert Ihrer Bäume bewußt machen, damit der Baumerhalt wieder ein zentrales Motiv der Pflege wird.

Durch entsprechende Maßnahmen können natürlich die übrigen Ansprüche an den Baum (wie z.B. Kronengröße, Fruchtbarkeit, Obstqualität) durch den fachkundigen Pfleger erfüllt werden. Die Voraussetzung hierfür ist wie im öffentlichen Bereich Kenntnis der Besonderheiten unserer Obstbäume.

 

4. Die ökonomische Seite des Obstbaues mit alt werdenden Bäumen muß den Gegebenheiten unserer Zeit angepaßt werden. Kreative Lösungen für die Ernte, Verarbeitung und Vermarktung sind gefragt, damit Obst Spaß macht und sich (wieder) lohnt. Daß es hier nicht nur um Mark und Pfennig sondern um unseren Willen als „Verbraucher“ geht, das irrwitzige Herumfliegen von Obst in der Atmosphäre unattraktiv erscheinen zu lassen versteht sich von selbst.

 

5. Mit welcher Sorte haben wir es zu tun? Wir finden Antworten bei Sortenkundlern. Der Erhalt von Raritäten durch Nachzucht von Bäumen aus zweifelsfrei bestimmten Reisermaterial ist eine Aufgabe für engagierte Baumschulen. Sinnvollerweise achten wir vor allem auf bewährte Regionalsorten und unterstützen deren Erhalt und Wiederverbreitung.

Bei Sortenverkostungen können hier Schätze sinnlich entdeckt werden.

 

6. Der Austausch von Wissen und Erfahrung ist auf allen Ebenen für Obstbaumliebhaber unersetzlich. Hierfür bieten bei uns im Norden die Landesgruppen des Pomologenvereins eine Basis und Möglichkeit, mit Gleichgesinnten in Kontakt zu kommen.

 

7. Handlungsempfehlungen für den Fortbestand einer generationsübergreifenden Obstbaukultur (Das Erbe weitergeben)

Wir pflanzen Obstbäume auf Sämlingsunterlage. Wir beziehen die Bäume bei einer Baumschule unseres Vertrauens, welche um die Sortenechtheit des Pflanzmaterials bemüht ist. Vorher informieren wir uns über das bewährte Sortenspektrum unserer Region und wählen die Sorte nach der Klärung grundsätzlicher Eigenschaften dann durch Verkostung. Wir machen uns bewußt, daß die Lebenserwartung unseres Baumes mit 100 Jahren oft noch nicht erreicht ist.

Daher gönnen wir dem Baum in den ersten 10-15 Jahren eine intensive Pflege und einen planvollen Schnitt eventuell mit Unterstützung durch einen Obstbaumpfleger. Früchte werden in dieser Zeit nur wenige zugelassen, fallen später aber sehr langfristig, regelmäßig und in hoher Qualität an.

Wir verwerten das Obst und lassen andere Menschen am Überfluß teilhaben.

 

Wir freuen uns über die Tatsache, daß wir mit unserem Baum vor allem etwas für die nächsten Generationen beitragen dürfen.

 

(*)Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen für die Vergabe von Baumpflegeaufträgen. Hierin wird nicht auf die Besonderheiten von Obstbäumen eingegangen. In der AG Obstgehölzpflege im Pomologenverein arbeiten wir an Standards für ein entsprechendes Regelwerk.

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